Im Dezember 2015 schrieb der renommierte Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab in der Zeitschrift Foreign Affairs „Wir stehen am Anfang einer technischen Umwälzung, die grundlegend verändern wird, wie wir leben, arbeiten und miteinander umgehen. In ihrem Ausmaß, ihrer Reichweite und Komplexität wird diese Umwälzung anders sein als alles, was die Menschheit je erlebt hat.“1
Nur sechs Wochen bevor dieser Artikel erschien, hatte die Unternehmensberatung McKinsey einen Quartalsbericht mit dem Titel „Four fundamentals of workplace automation“ veröffentlicht, in dem sie Watson von IBM, Baxter von Rethink Robotics und Googles selbstfahrende Autos als „spektakuläre Demonstrationen hochentwickelter Robotik“ bezeichnete und die Frage stellte: „Sollten wir Angst vor Arbeitsplatzverlusten, Disruption in Organisationen und Belastungen des sozialen Gefüges haben?“2.
Anleger, die schon länger dabei sind, haben vermutlich ein „Déjà vu“-Gefühl, wenn heute ähnliche Prognosen und Fragen zu künstlicher Intelligenz kursieren.
Amaras Gesetz besagt, dass wir dazu neigen, die Auswirkungen einer Technologie auf kurze Sicht zu überschätzen und auf lange Sicht zu unterschätzen.3
Dieses Gesetz wird vom jährlichen Hype Cycle von Gartner eingängig visuell verkörpert. Dieser zeigt, dass neue Technologien häufig einen „Gipfel der überhöhten Erwartungen“ verzeichnen und im Anschluss ein „Tal der Desillusionierung“ auf dem Weg zu echter Produktivität.4
Die von McKinsey gewählten Beispiele für hochentwickelte Robotik belegen das beispielhaft. Watson konnte der großen Vision von IBM für die Technologie nicht gerecht werden, was die New York Times im Sommer 2021 zu dem Artikel „What ever happened to IBM’s Watson“ veranlasste.5 Der Industrieroboter Baxter von Rethink Robotics, der die „Fertigung revolutionieren“ sollte, wurde 2018 infolge enttäuschender Umsätze aus dem Programm genommen.6
Und die fahrerlosen Google-Autos haben zwar inzwischen Meilen im zweistelligen Millionenbereich auf dem Tacho, werden aber auch zehn Jahre später erst in zwei US-Großstädten eingesetzt.7 Was verrät uns fast ein Jahrzehnt der Erfahrung in den Bereichen Robotik und Automatisierung darüber, was uns auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz erwarten könnte?
Dazu fällt uns dreierlei ein:
- Der anfängliche Hype kann nachlassen, noch bevor eine Technologie richtig Fuß gefasst hat
- Die aufregendsten Durchbrüche ergeben sich manchmal aus den am wenigsten offensichtlichen Anwendungen
- Während es auf kurze Sicht die großen etablierten Tech-Unternehmen sind, die als Innovationstreiber angesehen werden, ebnet dies mittelfristig den Weg für Erfolgsgeschichten kleiner Unternehmen.